Persönlichkeiten
Spontaner Widerstand gegen Willkür und Gewalt der Nazis
Pfarrer Johannes Noack
Johannes Noack (geb. 25. 12. 1878 in Cottbus) kam im 50. Lebensjahr nach unterschiedlichen Beschäftigungen im Kirchendienst im Oktober 1928 als Pfarrer an die St. Annenkirche in Eisleben. Die Pfarre besaß einen Anteil von mehr als 50 % Berg- und Hüttenarbeitern. Wie überall sonst im Mansfeldischen, in dem die Mehrheit der Arbeiterschaft sozialdemokratisch oder kommunistisch eingestellt war, waren die Meisten nicht kirchlich oder sogar kirchenfeindlich. Aber er pflegte gute Beziehungen auch zu diesen Leuten. Bis dahin führte er das relativ ruhige Leben eines Geistlichen jener Zeit, der allerdings durch seine Vorliebe für die Musik und eine gewisse Nonkonformität sich von seinen Amtsbrüdern unterschied. Seine politische Einstellung war wie die der meisten evangelischen Pastoren jener Zeit deutsch – national. Er hat sich allerdings ganz bewusst aus dem Parteienstreit der Tagespolitik in der Weimarer Republik herausgehalten. Bis 1933 fällt an seiner Amtsführung nichts auf. Das änderte sich plötzlich 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und mit den von ihnen bereits im Juni 1933 anberaumten Kirchenwahlen mit denen sie in der evangelischen Kirche die Macht an sich reißen und die Kirchengemeinderäte mit Hilfe der Deutschen Christen gleichschalten wollten. Die Wahlen wurden durch die Deutschen Christen manipuliert und mit sog. Einheitslisten wurde eine wirkliche Wahl ausgeschlossen. Pfarrer Noack war in Eisleben der einzige Pfarrer, der sich dem Ansinnen der Deutschen Christen widersetzte. In St. Annen wurde daraufhin überhaupt nicht gewählt. Es gelang ihm mit drei Getreuen und mit bockiger Sturheit gegen den Willen von 4 Deutschen Christen, die auch im Kirchengemeinderat saßen, die Gemeinde weiter zu führen, bis ihm die Kirchenverwaltung in Magdeburg 1937 durch eine Sonderregelung diese Möglichkeit entzog. Die Pfarre St. Annen ist weit und breit die einzige gewesen, die den Deutschen Christen schon im Jahr 1933 Paroli geboten hat. Seit Mitte 1933 stand Pfarrer Noack unter ständiger Beobachtung der Gestapo. Die SA organisierte im März 1934 einen nächtlichen Überfall in Zivil auf das Pfarrhaus, bei dem Einmachgläser im Keller und einige Scheiben am Haus zu Bruch gingen und Frau Noack und ihre Töchter tätlich bedroht wurden. Pfarrer Noack, der das Spiel sehr wohl durchschaute, ließ sich nicht einschüchtern und gab nicht auf. Als im Jahr 1934 die Bekennende Kirche gegründet wurde und ihre Bruderkreise eingerichtet wurden, schlossen sich mehr als 120 Gemeindemitglieder der ST. Annengemeinde dieser Bewegung an. In der fraglichen Zeit war Pfarrer Noack nach Weißenfels strafversetzt .Die Kirchenverwaltung in Magdeburg musste später diese Strafmaßnahme widerrufen. Pfarrer Noack hielt in dieser Zeit engen Kontakt zu seinen Eisleber Leuten und immer, wenn er einmal von Weißenfels nach Hause kam, hielt er mit seinen Getreuen Gottesdienste und Gebetsstunden in seiner Wohnung ab. Er reiste später regelmäßig zu den Treffen des Bruderkreises der Bekennenden Kirche nach Magdeburg oder Halle. Am 2. April 1940 führte die Gestapo eine Hausdurchsuchung im Pfarrhaus durch und verhaftete Pfarrer Noack einen Tag später. Das Abhören von Feindsendern und systemkritische, handschriftliche Aufzeichnungen reichten zur Verurteilung zu zwei Jahren Zuchthaus, die er im roten Ochsen in Halle absitzen musste. Er bekam dort nach 1 ½ Jahren eine nicht behandelbare Herzbeutelentzündung. Nach seiner vorzeitigen Entlassung kämpfte er sich todkrank zu seiner Familie nach Berlin durch und starb dort nach wenigen Tagen am 9. Mai 1942. Pfarrer Noack liegt gemeinsam mit seiner Ehefrau auf dem Friedhof Stahnsdorf begraben.
Prof. Dr. Hartmut Wendt, Dieburg
Eine Gedenktafel am Pfarrhaus erinnert an Johannes Noack, eine Straße in Eisleben trägt seinen Namen.
Martin Rinckart Dichter des Liedes
„ Nun danket alle Gott“
- Als Diakon wirkte er von 1611-1613 an der St. Annen Kirche in Eisleben -
MUSICA (Mein Vertrauen steht in Christo allein) stand als Motto über seinem Leben.
Martin Rinckart wurde am 24. April 1586 in Eilenburg geboren, mit 15 Jahren wird er auf Grund seiner musikalischen Begabung in Leipzig Schüler der Thomasschule. Mit 16 Jahren wird er an der Universität in Leipzig immatrikuliert und studiert die Fächer Musik, Theologie und Philosophie. 1610 wird er durch die Mansfelder Grafen und Vermittlung von Seth Kalvisius nach Eisleben als Lehrer an das von Martin Luther 1546 gegründete Gymnasium (erste fürnehme Lateinschule) berufen. Er unterrichtet Musik, Latein und Griechisch. Gleichzeitig ist er als Kantor an der St. Nicolai Kirche tätig.
Ein Jahr später, im Mai 1611, wird Rinckart in das Diakonat von St. Annen zu Eisleben berufen. Eine seiner ersten Amtshandlungen, die der neue Diakonus vornahm, war die, dass der die bis dahin unübersichtlich gestalteten Kirchenbücher anders einrichtete. Noch heute sind die drei Distichen erhalten, die er hierbei eintrug.
In St. Annen ist er bis Ende 1613 als Diakon tätig, heiratet am 13. September 1612 in dieser Kirche Christine Morgenstern aus Eisleben. 1613 zieht er in das Pfarramt nach Erdeborn. In der Eisleber und Erdeborner Zeit dichtet er, komponiert und schreibt Theaterstücke u.a. die „Eislebisch Mansfeldische Jubelkomödie“.
1617 kehrt Martin Rinckart wieder in seine Geburtsstadt Eilenburg zurück und ist als Archidiakon tätig. Hier in Eilenburg erlebt er in voller Länge den grausamen 30 jährigen Krieg mit Pest, Hungersnot und Tod (besonders auch in seiner Familie, von seinen sieben leiblichen Kindern überlebten nur drei den Vater). Auch in dieser Leidenszeit entstehen von ihm viele Lieder und Gedichte im Vertrauen auf Gott.
Martin Rinckart rettete seine Heimatstadt durch einen Bittgottesdienst und tat viel Gutes für die Armen.
1630 dichtet und komponiert er zum 100 jährigen Jubiläum der Augsburger Konfession das von uns viel gesungene und weltbekannte Lied „ Nun danket alle Gott“. (4. parodia jubilae). Dieses Lied basiert auf den Bibelworten aus Sirach 50, Verse 24 - 26, sie waren das Tisch - und Dankgebet der Familie Rinckart. Rinckart schreibt in sein Jahresbuch: „Das ist das Jahr (1630), in welchem 25., 26. und 27. Juni, wider der Päpstischen Wirren und Irren und fast auch wider aller unser Hoffen und Gedencken das evangelische große Jubeljahr mit großer Freude gehalten worden.“ Viele Komponisten haben versucht, dieses Lied immer wieder musikalisch neu zu gestalten. Rinckart war ein großer Verehrer Luthers, dessen Lehre, Leben und Wandel ihm Vorbild war. Er nannte sich selbst „ der Gemeinde ältesten Katechismusvater“, denn so schreibt und predigt er, „was für große Schätze und Kleinodien in eurem großen und kleinen Katechismus verfasset sind“. Martin Rinckart erlebte das Ende des 30jährigen Krieges und starb ein Jahr später am 8. Dezember 1649 im Alter von 63 Jahren in seiner Heimatstadt Eilenburg.
„Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn“ war der von ihm gewünschte Text zu seinem Begräbnis in der Nicolaikirche zu Eilenburg.
Martin Rinckart war in seinem ganzen Leben ein in sich abgeschlossener unbeugsamer Mann, dessen alleiniges Gesetz der frei machende evangelische Glaube ist, unerschütterlich wusste er alle Nöte und Kämpfe zu überwinden.
Ein großes Kirchenfenster in der St. Annen Kirche erinnert an zwei bedeutende Kirchenlieddichter: Martin Luther mit „Ein feste Burg“ und Martin Rinckart mit „Nun danket alle Gott“.
In der Lutherstadt Eisleben ist im Alten- und Pflegeheim „Heilig - Geist - Stift“ eine Etage nach ihm benannt und die Stadt ehrt ihn mit der Benennung einer Straße:
der Martin - Rinckart - Straße.
Bärbel Kettner